75 Jahre Wiederbelebung der SPD in Weiden

Nahezu auf den Tag genau trafen sich am 2. September 2020 Frauen und Männer der Weidener SPD, um der Wiederbelebung der Partei nach dem Zweiten Weltkrieg in der Kurt-Eisner-Anlage zu gedenken.

Vor 75 Jahren: Wiedergründung der Weidner SPD am 1. September 1945 (Autor Karl Bayer)

1945, der Krieg ist vorbei. Die Stadt Weiden wird am 22. April 1945 von Truppen der amerikanischen Armee eingenommen. Wie überall in Stadt und Land gehören Sozialdemokraten zu den ersten Verantwortlichen, denen der Aufbau eines neuen Deutschlands anvertraut wird.
In der Stadt Weiden sind es namentlich Nikolaus Rott, Gottlieb Linz, Josef Tröger und Xaver Heuberger, die von der amerikanischen Besatzungsmacht neben anderen demokratischen Kräften mit dem Wiederaufbau der Stadtverwaltung und der Wirtschaft beauftragt werden.
Bereits In der Zeit der Weimarer Republik waren sie in Führungsfunktionen Mitglieder der lokalen Parteiorganisation. Es waren ältere Sozialdemokraten, die wieder wichtige Ämter besetzten. In der Zeit der Wiedergründungsphase befand sich der größte Teil der jüngeren Menschen noch in der Kriegsgefangenschaft. Dazu war der kontinuierliche Nachwuchs zwölf Jahre unterbunden.
Unter der Aufsicht der amerikanischen Militärregierung entstehen wieder politische Parteien. Aber vorerst nur auf Ebene der Landkreise und Städte. Ein Landesverband ist dem Willen der amerikanischen Militärregierung zufolge vorerst noch nicht vorgesehen.
Am 1. September 1945 versammeln sich in der Gaststätte „Zur Zentralwerkstätte“ in der Landgerichtstraße unter der Federführung des Eisenbahners Nikolaus Rott (1891-1989) die verbliebenen Genossen, um den Wiederaufbau einer lokalen Parteiorganisation der Weidner Sozialdemokratie voranzutreiben.
Das Treffen wird von der lokalen US-Militärbehörde geduldet.
Auch anderenorts in Bayern finden erste sozialdemokratische Zusammenkünfte statt. Es sind politisch denkende Menschen, die sich bereits vor der offiziellen Zulassung der politischen Parteien treffen. Sie hatten ihrer Partei über die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur die Treue gehalten.
In der Stadt Weiden ist die Sozialdemokratie bereits seit ihrer ersten Versammlung im Jahr 1897 präsent. Ein Sozialdemokratischer Wahlverein war 1898 gegründet worden.
In der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur hatten lose Gruppen für die Erhaltung der Gesinnungsgemeinschaft gesorgt. Den Nationalsozialisten war es nicht gelungen den „Marxismus“, und darunter verstanden sie insbesondere die Sozialdemokratie, mit Stumpf und Stiel auszurotten. Etliche Weidner Sozialdemokraten mussten ihren Widerstand gegen die Nationalsozialisten mit Schutzhaft, Berufsverbot, Zuchthaus oder Konzentrationslager bezahlen.
Deshalb brauchte die Sozialdemokratische Partei Deutschlands 1945 weder ihren Namen noch ihr Programm ändern. Sie bekannte sich von jeher zur demokratischen Staatsauffassung, zur Völkerverständigung und zur internationalen Zusammenarbeit.
Eine demokratisch-sozialistische Republik hatte man sich auf die Fahne geschrieben.
Die Gaststätte „Zur Zentralwerkstätte“ hatte man bewusst als Ort der Zusammenkunft gewählt. Es galt an eine jahrzehntelange Tradition anzuknüpfen. War die „Restauration“ doch seit der Zeit vor dem ersten Weltkrieg der Treffpunkt der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in Weiden.
Geführt wurde das Lokal in diesen Jahren von dem legendären „roten Wirt“ Hans Bär, der 1911 wegen seiner sozialistischen Überzeugung aus den Diensten der Zentralwerkstätte entlassen wurde. In der Zeit der bayerischen Revolution 1918 war er Mitglied des Landesarbeiterrates. Von 1919 bis 1928 vertrat Bär (1870-1932) die Sozialdemokratie im Weidner Stadtrat. Kein Verein der vielfältigen sozialdemokratischen Subkultur in der Stadt wurde ohne ihn gegründet.
Einige Tage zuvor, im August 1945 hatten sich bereits niederbayerische und oberpfälzische Sozialdemokraten in Regenburg zu einer Bezirkskonferenz zusammengefunden, um die weitere organisatorische Ausweitung der Partei in Ostbayern zu besprechen.
Der erste offizielle Bezirksparteitag der SPD Niederbayern/Oberpfalz findet dann im Oktober in Regensburg statt.
Gleichfalls im selben Monat, am 19.Oktober 1945 gründen ehemalige Mitglieder der katholischen Bayerischen Volkspartei (BVP) in Weiden die „Christlich-Demokratische Partei“, die 1946 in der Gründung einer Ortsgruppe der Christlich-Sozialen-Union (CSU) aufgeht.
Auch die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) wird für die Stadt Weiden zugelassen.
Im selben Zeitraum meldet die“ Mittelbayerische Zeitung“ die Einrichtung eines sozialdemokratischen Informationsbüros in der Stadt Weiden unter Leitung von Frau Paula Konarske. Aufgabe dieses Büros ist es, die Bildung sozialdemokratischer Ortsvereine in der nördlichen Oberpfalz zu fördern und zu unterstützen.
Am 23.Dezember 1945 erteilen die örtlichen US-Militärbehörden in Weiden den Sozialdemokraten die Genehmigung zur politischen Betätigung.
Voraussetzung für die Zulassung waren 25 Unterschriften von Personen, die in keiner Verbindung zum Nationalsozialismus stehen durften. Beizufügen war ein Grundsatzprogramm, ebenso waren Angaben über den Zweck der politischen Organisation und ihre Finanzierung zu machen.
Die offizielle Gründungversammlung findet erst im Januar 1946 statt. Nikolaus Rott erstattet auf dieser Versammlung einen umfangreichen Bericht über die bisherige Tätigkeit der Ortsgruppe.
Xaver Heuberger, zwei Jahre später Opfer eines grausamen Verbrechens, wird zum ersten Vorsitzenden gewählt. Josef Tröger, 1944 als Gefangener im KL Flossenbürg, von den Amerikanern als 2.Bürgermeister der Stadt eingesetzt, wird sein Stellvertreter.
Josef Tröger (1895-1971) ist 1946 Mitglied der verfassungsgebenden Landesversammlung Bayerns, was die Bedeutung der Weidner SPD im Nachkriegsbayern unterstreicht.
Mit der „Wiederbegründung“ im Jahr 1945 werden die Sozialdemokraten zu einer politischen Kraft, welche die Geschicke der Stadt bis heute mitbestimmt. Die Nachkriegszeit hatte u.a. durch den Zuzug von Vertriebenen und Flüchtlingen auch die politischen Kräfteverhältnisse in der oberpfälzischen Stadt verändert.
Im „Roten Jahrzehnt“ in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist sie die stärkste politische Kraft in der Stadt.
Und heute noch stellt sie mit Jens Meyer seit Mai 2020 einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister, der in der Nachfolge der sozialdemokratischen Stadtoberhäupter Hans Schelter (Amtszeit 1952-1970), Hans Bauer (Amtszeit 1970-1976) und Kurt Seggewiß Amtszeit 2007-2020) steht.